Freitag, 10. Mai 2024

Didaktik und Gedenken.

 Wenn die Deutschen ihre Vergangenheit bearbeiten ist die nur eine Entschuldigung für ihren zeitlosen Zustand der Gegenwart vor sich selbst. 


Jedes Gedenken dient in Deutschland der Innenökonomie der Sozialisation. Weder vor noch nach 1945 hat jemals eine Positionsübernahme auf die Seite der Opfer stattgefunden. 

Die Deutschen gedenken auch nie ihrer Täter und ersparen sich so die Reflektion. Sie gedenken der Opfer um die Opfer beherrschbar in die Ökonomie der Narrativs des Gedenkens zu inventarisieren. 

Das Gedenken ist nur das neue Ghetto, es hat mit dem Menschen und dem Menschlichen im Leben überhaupt nichts zu tun, es ist utilitaristisch und so brutal seelenlos wie der Anlaß dieser Strategie.

Überhaupt halte ich die Gedenkstätten didaktisch für vollkommen verkehrt aufgezogen: Nicht die Opfer in ihrer Rolle sollten im Mittelpunkt stehen, sondern die Täter und ihre Gesellschaft sollten reflektiert werden. 

Täter - Nachfolger vor Opfer stellen ist müßig, die Rolle wird nur überzogen: Die Täterfolger vor ihre Wiege zu stellen wäre das Erzwingen von Reflektion. Die Opfer sind auch den Kindern der Täter vollkommen egal und taugen höchstens für innerfamiliäre Scharmützel und Grabenkriege jugendlicher Emanzipationsversuche, die aber eigentlich zum Inhalt hatten, daß die Jugend ihren Eltern krumm nahm, daß diese den Krieg verloren hatten. 

Vor die Eltern zu stellen bedeutet doch vor die Identität und Tradition gestellt zu sein. 

Und genau diesen Aspekt erspart ihnen der Viktimismus, mit dem sich das Judentum vor den Täter - Folgern immer wieder in die Rolle des Opfers aus der eigenen Rolle hinein - erzählt. 


Die Hoheit über das Gedenken ist das zweite Ghetto. Der Blick auf die Opfer erspart dem sozialpsychologischen Prinzip der Ursachen der Tat - nur den Blick in den Spiegel. Das ist der didaktische Fehler im Umgang mit der Judenvernichtung durch die deutsche Wahlentscheidung des Jahres 1933. 


Es ist längst überfällig die Didaktik zum Holocaust zu überarbeiten, nach dem 07.10.2023 allemal. Nicht die Kultur der Opfer muß der Anlaß der Abbildung sein, sondern die kulturellen Gründe für den sozialen Umstand der Täter - Gesellschaften. Denn das Wort "Tätergesellschaft" zeigt den individuellen Anteil der Täter als Gesellschafter ihres staatlichen Abbildes. 


Diesen Fehler die jüdischen Opfer so zu erheben, daß unter ihrem Schirm der Täter ungeschoren existieren kann, diesen Fehler muß man in der Frage des Umgangs mit dem 07.10.2023 vermeiden. 

Das eigene Leid macht irgendwann dem Täter die Herrschaft über dieses Leid, solange man sich das Leid als Identität erzählt, solange hat der Täter seine Rolle und Identität in diesem Leid und kann aus dieser die Identität für sich auch immer wieder herleiten und  - - analog - - monologisieren ! 

Die eigene Rolle erzieht die Rolle des Antagonisten. 

Diese Herrschaft aber soll man den Jüngern der Nekrokratie nicht überschreiben und nicht einmal durch den eigenen Tod soll man ihnen die Möglichkeit geben über das Leben fortan über diesen angewandten Maßstab zu regieren. 

Man soll die Rolle zerbrechen, die der Despot schreibt: Man schreit die Rolle hinaus und fechtet sie an und behauptet sich, wie man schreit und den Spiegel als Waffe der Gerechtigkeit führt, so auch im juristischen Sinne.

Wenn eines der "faire" Prozess gegen Eichmann gezeigt hatte, er konnte keine Gerechtigkeit erwirken, denn der Täter wurde zum Verwalter dieses Prozesses und unterwarf selbst die Anklage unter seine Akribie. 

Gerecht wäre es gewesen, wenn Eichmann von allen seinen überlebt habenden Opfer auf der Stelle zerfleischt worden wäre, das wäre nicht "fair" und juristisch höchst anrüchig gewesen, aber sicher gerechter als die Aufführung des unverbesserlichen Perfektionisten, der sogar als Angeklagter die Perfektion nutzte um die Macht über den Stoff zu erwirken. 

Eichmann war so derart deutsch und machtkrank, er konnte der israelischen Justiz nicht einmal die Struktur der Prozessführung überlassen und usurpierte die Rolle des Anklägers gegen sich selber durch die Genauigkeit seiner Buchführung über sich selbst. 


Man könnte Eichmanns Gestus so übersetzen: 


"Ihr Juden seit nicht in der Lage mich zahlenmäßig richtig anzuklagen, ich klage mich jetzt selber an und korrigiere Euch". 

Nicht einmal im Prozess gegen ihn konnte sich Eichmann den Zug ersparen sich als Herr über den Gang der Sache zu setzen. Der Chef des Reichssicherheitshauptamtes erklärte "seinen Juden" die Verhältnisse der Zahlen und zwar korrekt und einschließlich der Merkhilfe einer "Blut - Fontaine". 

Das ist so abgefahren krank und schrill psychopathisch, das entzieht sich jeder juristischen und klinischen Abbildung im sprachlichen Ausdruck. 

Und das muß man jetzt nach dem Gang der Dinge ändern: Man darf nicht mehr von den Opfern her die Sache erklären, sondern von der Krankhaftigkeit der Täter das Opfer herleiten. 

Sonst nimmt der Täter das Opfer als Entschuldigung daher und verkehrt Ursache und Wirkung. Ist jedoch der Täter das stetige Objekt der Bescheinung, wird nicht die Rolle des Opfers chronifiziert, sondern die Pathologie des Täters. 

Dem Täter soll das Opfer nicht teurer abgehandelt werden, als es mit dem Wert seiner Krankheit assoziiert ist. 

Ein Opfer aus niedrigen Beweggründen bleibt das Opfer niedriger Beweggründe. Wenn man das Opfer erhöht, erhöht man den Wert der Beweggründe und irgendwann glaubt der Täter seine Handlung sei so auserwählt wie das Opfer seiner Krankhaftigkeit. 

Was der 07.10.2023 zeigte was das Versagen einer Didaktik und das Handeln gegen besseres Wissen. 

Die Täter - Soziologie wird nicht dadurch schlauer, daß das Opfer seine Sozialwirklichkeit als Tugend präsentiert. Diese Tugend interessiert den Täter nämlich nicht mehr als zum Zeitpunkt der Tat, er gewichtet immer originär, sie vergoldet ihm höchstens den Wert seiner Handlung ! 

Das Opfer soll sich nicht zwei Mal vor dem Täter in die Rolle begeben, die dieser errichtete ! 

Von Freundschaft und Verlust vor jenen zu singen, die diese Güter abschlachteten ist ein Exhibitionismus in der Rolle, es ist letztlich die Ausweglosigkeit vor sich selbst, aber diese soll man dem Täter nicht schenken. 


Amen. 


 










 




  

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